Die Kastenvögten ist immer wieder da.
Regie Nelly Bütikofer Spiel Prisca Gaffuri Musik Marco Kurmann
Musikarrangemente Hansjörg Römer Lichtkonzept Christa Wenger
Ausstattung Rita Ettlin Produktion Statttheater Schwyz
Die Geschichte der letzten Hexe aus dem Muotathal.
von Nelly Bütikofer und Prisca Gaffuri
Die Geschichte
In „Das Lachen der Hexe“ erzählt Margrit Schriber die Geschichte der letzten zur Hexe verurteilten Frau im Muotathal. Anna Maria Schmidig ist unschuldig. Wie konnte
sie in den ungeheuerlichen und unfassbaren Verdacht geraten? Eine Frage, die sich aus heutiger Sicht kaum beantworten lässt. Eine Geschichte, die mit uns in unserer Zeit nichts zu tun hat? Oder
doch?
Facetten daraus erzeugen auch in der Gegenwart einen Wiedererkennungseffekt. In anderem Ausmass, mit anderem Hintergrund.
Die Hexenverfolgung ist ein trauriges Kapitel in der Geschichte des Christentums. Es gab viele diffuse und irrationale Gründe, eine Frau als Hexe zu verdächtigen.
Frauen, die sich die Freiheit nahmen, frei zu denken und zu entscheiden. Frauen, die viel oder sogar mehr als die nach geltender Ordnung höher eingestuften Männer wussten. Frauen die sich nicht
unterwarfen. Schöne, hässliche, junge, alte Frauen. Sie alle hatten etwas an sich, das auf Widerstand stiess und viele endeten aus diesem Grunde auf dem Scheiterhaufen.
Hintergründe
Anna Maria Schmidig, später die Kastenvögtin genannt, geboren 1678, war die Tochter des Sebastian Schmidig und der Verena Ulrich aus Steinen. Der verwitwete
Kastenvogt Leonhard Gwerder hielt um die Hand von Anna Maria Schmidig an. Das war wahrscheinlich der erste Funke für ihre spätere Verfolgung als Hexe. Kastenvogt war ein ehrenvolles Amt, und dass
ausgerechnet ein Kastenvogt eine „Auswärtige“ ehelichte, d.h. nicht aus dem Muotathal stammende, war ein Stein des Anstosses. Hinzu kam, dass sie zum Zeitpunkt der Heirat bereits 28 Jahre alt war
und körperlich eher missgestaltet. Was immer das für die damalige Zeit heissen mochte.
Nach ihrer Heirat stellte sich auch heraus, dass Anna Maria äusserst tüchtig war. Sie führte ein Wirtshaus und einen Krämerladen. Dort konnten die Dorfbewohner alles
was das Herz begehrte erwerben, worüber man sich später auch dementsprechend wunderte. Sie gebahr zwei Töchter und zwei Söhne, war auch den zwei Kindern aus erster Ehe Leonhards eine gute
Mutter.
Der Kastenvogt starb 1726. Erst nach dem Tod ihres Ehemanns wurden mehr und mehr Stimmen laut, die sie als Hexe verschrien. Es gibt unzählige Geschichten über die
Kastenvögtin, unglaubliche Geschichten über Tierverwandlungen, Besuche der Hexensabbate, Wettermachen und viele mehr. Und doch dauerte es ganze 27 Jahre lang, bis man sie als Hexe einsperrte. Sie
legte auch unter den schlimmsten Folterungen kein Geständnis ab. Sie starb 1753 auf Grund ihrer schweren Verletzungen, 75 Jahre alt, im Turm zu Schwyz.
Bis heute wurde der Prozess nicht mehr aufgerollt. Sie wurde also nie wieder in ihre bürgerlichen Ehren eingesetzt. Ihre Geschichte heute nochmals aufzurollen soll
ein Beitrag zu diesem Versäumnis leisten, welches anderen „Hexen“, wie zum Beispiel Anna Göldin, längst zuteil wurde.
Bezüge
Viele Sagen, die man sich über Hexen erzählt, sind austauschbar. So sind wir z.B. auf folgende Geschichte aus dem Urnerland gestossen.
Die Verbindung besteht nicht nur in Bezug auf den Namen, sondern auch auf die Aussagen selbst.
Die Kastenvögtin von Ursern übernachtete auf ihren Wanderungen durch das Urnerland häufig bei der Familie des Melchior Jauch in Silenen. Eines Abends sagte
sie, Morgen werde es wohl einen heissen Tag geben. Am nächsten Tag begegnete ihr in der Schöllenen der Toneli Müller, ein Säumer von Ursern mit einem schönen, kohlenschwarzen Ross.
Die Hexe hielt ihn auf, schlug dem Tier mit der Hand auf die Laffe und meinte, das sei ein schönes schwarzes Pferd. Wenige Minuten später fiel das Saumtier mitsamt dem Bast in das Tobel und
wurde von der wilden Reuss weggespült. Der Geschädigte, der die Hexe wohl kannte, eilte ihr nach und traf sie auf dem Friedhofgarten in Andermatt, wo sie bei einem Weihwasserstein stand, mächtig
die Augen verdrehte und mächtig Weihwasser über die Gräber spritzte. Rasch packte sie der starke Säumer beim Haarschopf, hob sie in die Höhe und dreht sie dreimal im Kreise. Jetzt war sie
gefangen und wurde verbrannt.
Zur Inszenierung
Das Stück weist mit Sinnlichkeit, Geist und Humor zugeordnete Opferrollen zurück. Es liegt uns fern, mit diesem Thema den moralischen Zeigefinger zu erheben oder
Gräueltaten aus alten Zeiten dokumentarisch auf die Bühne zu zerren. Vielmehr stellen wir Bezüge zu unserer Zeit, zu unseren Ängsten und Vorurteilen her und nehmen eine kritische und engagierte
Haltung gegenüber Diskriminierung, wie sie im Jetzt geschehen, ein. Mit Ironie und Leichtigkeit wird der Zugang zum Stoff erleichtert.
Das Schicksal der Anna Maria Schmidig berührt uns, trifft uns. Ihre Geschichte wird in unserer Inszenierung authentisch erzählt. Mit den verschiedenen
Darstellungsformen von Musik, Liedern aus dem hiesigen Volksgut, Tanz und Spiel entsteht eine Frauenfigur, die mit ihren Denkmustern und ihrer Lebensweise auch an gesellschaftliche Grenzen
unserer heutigen Zeit stösst. Ein Frauenthema? Von einer Frau gespielt und aus Frauensicht inszeniert? Wir sind der Ansicht, dass es sich bei diesem Stoff um ein Thema handelt, das alle etwas
angeht. Die „Frauensicht“ soll weder ausgrenzen noch ausschliessen, sie soll miteinbeziehen.
Informationen für Gastspiele
Die Regie
Nelly Bütikofer, Freischaffende Choreografin und Regisseurin im Bereich Tanz und Theater. Künstlerische Leitung der Bühne Fasson Theater in Lachen und des Fabrik Theaters in
Rapperswil. 1988 Auszeichnung für Choreografie der Stadt Zürich, 1993 Kunstpreis für Tanz des Kantons Solothurn, 2004 Auszeichnung der Stadt Zürich für ihr künstlerisches Schaffen
Die Schauspielerin
Prisca Gaffuri arbeitet als Schauspielerin, Sprecherin und Theaterpädagogin. Ihre Ausbildung als Schauspielerin absolvierte sie an der
Schauspielgemeinschaft in Zürich. Sie war Mitglied der theaterfalle zürich und Mitgründerin und Schauspielerin des Hofstatt Theaters Schwyz. Als Initiantin und Regisseurin
mehrerer Klein- und Grossprojekte, u.a. die Musicals Annie und Fame, hat sie ihren Erfahrungsbereich stets erweitert. Seit 2003 festes Ensemblemitglied des Historischen Museums
in Luzern.
Der Musiker
Marco Kurmann, Schlagzeuger und Perkussionist studierte klassisches Schlagzeug an der Musikhochschule in Luzern bei Professor Erwin Bucher und
Raphael Christen, wo er mit dem Lehrdiplom abschloss. Zurzeit absolviert er an der Hochschule für Musik und Tanz in Zürich das Konzertdiplom Fachrichtung Orchester in der Klasse von Horst
Hofmann.Marco Kurmann arbeitet als Musikpädagoge an verschiedenen Musikschulen im Raum Luzern. Zudem ist er als Zuzüger in div. Orchestern, u.a. Luzerner Sinfonieorchester, engagiert, 2000
Schweizermeister-Titel Klassik, am schweizerischen Drummer- und Perkussionisten-wettbewerb in Altishofen, 2005 Stiftungspreis der FriedlWald-Stiftung, Basel und Soloauftritt am
Lucerne Festival.
Autorin
Margrit Schriber wurde 1939 in Luzern als Tochter eines Wunderheilers geboren und verbrachte ihre Jugend in Brunnen und Küßnacht am Rigi.
Bankangestellte, Buchhalterin, Mannequin und Fotomodell waren Umwege zu dem von Anfang an gesetzten Ziel: Schriftstellerin zu werden. Sie lebt in Zofingen und in der französischen
Dordogne. Ihr Interesse auch an Urgeschichten: „Weil ich wissen will, woher wir kommen. Was um uns geschieht. Welchen Zusammenhang unser Planet mit dem Universum hat. Weil ich in die Zukunft
schauen will.“
hier zur Homepage von Margrit Schriber
Presse: MAZ Ausserschwyz
HEXENPROZESS AUF DER BÜHNE
..... „Die Kastenvögtin" zeichnet das Schicksal der letzten als Hexe zu Tode gekommen Frau der Schweiz nach. Anna Maria Schmidig, Gattin von Kastenvogt Gwerder, starb 1753 als
„abgemagertes Mensch in Ketten" zitternd und 75-jährig im Verlaufe der „Wahrheitsfindung", sprich Folter, im Hexenprozess.
Konstellationen, die zur Anklage als Hexe führten, hatten Regisseurin und Darstellerin aus Frauensicht nachgezeichnet, Denn nebst oft angeführten religiösen Ursachen
habe sich gezeigt, dass zur Beschuldigung immer bestimmte Charaktereigenschaften führten. Anna Maria Schmidig war eine selbstbewusste, lebensfrohe, intelligente und kreative Frau, die vier Kinder
grosszog, mit Erfolg Krämerladen und einen Gasthof geführt hatte. Neid, Missgunst und Eifersucht seien klar mit im Spiel gewesen.
Eine Missbildung, ein keines Buckelchen kam hinzu. Und mit ihrer Herkunft aus Steinen war sie im Muotathal „en fremde Fötzel". Tierverwandlungen wie Wetterprognostik
wurden ihr vorgeworfen. Dass Männerdomäne seit jeher letzteres gewesen, lässt sich spekulieren – bezeichnenderweise beginnen die Schwierigkeiten erst nach dem Tod ihres Mannes.
Prisca Anderhub-Gaffuri bot eine dichte, stimmige, ja atemberaubende Darstellung. ..... Ein Theaterabend fernab von jeder Effekthascherei, die schlimmen Folterungen
werden subtil angedeutet. Musiker Marco Kurman wob an der Marimba den Klangteppich für das choreografierte Spiel, das mit zwei spärlichen Requisiten auskam: Schicke Federboa und profaner
Wäschekorb.